Filmfest Hamburg 2025 – was bleibt?
Autoren: Helen Kersley & Olaf Tegtmeier
Nun, wir können natürlich nicht für alle sprechen – aber wir haben in den 10 Tagen Hamburger Filmfest viel gelernt:
Wir haben zum Beispiel erfahren, warum Culture Club eigentlich nicht bei Live Aid dabei war (Boy George and Culture Club, Regie: Alison Ellwood), dass die beste Antwort auf Klimaleugner Heiterkeit ist (Peak Everything von Anne Émond) und wie widerstandsfähig die Bürger des Libanon über die Jahrzehnte hinweg waren (Do you love me? von Lana Daher).
Ganz zu schweigen von dem langjährigen kulturellen Einfluss Hollywoods auf die Wahrnehmung von Männern und Frauen (No Mercy, Isa Willinger) und davon, wie schrecklich es sich anfühlt, wenn man nicht flieht, bevor die eigene Heimatstadt zum Kriegsgebiet wird (Honeymoon, Zhanna Ozirna).
Und all das passierte bereits am zweiten Tag des Filmevents!
Wir lernten daneben weiter, dass man nicht zu spät nach Hause kommen sollte, wenn man auf einer Sandinsel lebt (Amrum, Fatih Akin), dass frische Erdbeeren in einem luftdichten Gefäß länger haltbar sind (Agatha’s Almanac, Amalie Atkins) und dass der erste Eindruck oft täuscht – und zwar auf verheerende Weise (Dragonfly, Paul Andrew Williams).


Außerdem haben wir erfahren, dass die Überwachung der Polizei eine einsame Angelegenheit sein kann, der beide Seiten misstrauen (Dossier 137, Dominik Moll), dass es keine gute Idee ist, eine Freundschaft mit einer Lüge zu beginnen (Twinless, James Sweeney), und wie talentiert dieser junge James Sweeney ist; dieser sehr fesselnde Film wurde von ihm geschrieben, inszeniert und produziert, während er natürlich auch mitspielte – Respekt.
Wir wurden daneben Zeugen der Tapferkeit, die es braucht, um als Teenager alleinerziehende Mutter zu sein (Junes Méres – Junge Mütter von den Douglas-Sirk-Preisträgern Jean-Pierre und Luc Dardenne), und dass gehörlose Menschen nicht „repariert“ werden müssen (Als wäre es leicht, Milan Skrobanek).
Möchten Sie wissen, wie man einen bellenden Hund in der Nacht beruhigt (Neighbouring Sounds, Kleber Mendonça Filho) oder welchen Triumph es bedeuten würde, ALLE italienischen Hauptdarstellerinnen zu vereinen (Diamanti, Ferzan Özpetek)? Übrigens zeigten die Kinobesucher nach diesem Film ihre gegenseitige Wertschätzung für Ferzan Özpetek und Fatih Akin, indem sie sich gegenseitig in der Fragerunde applaudierten. Ein fantastischer Moment!



Wir wissen jetzt auch: Man sollte nicht erwarten, in einem Kurort am Schwarzen Meer eine Frau zu finden. Vor allem nicht, wenn man seine Mutter mitbringt (Sanatorium, Gar O’Rourke). Dazu ist uns jetzt klar, wie man ein kostenloses Luxushotelzimmer bekommt (Babystar, Joscha Bongard), wie man am besten KEINEN Kunstdiebstahl in seiner Heimatstadt plant (The Mastermind, Kelly Reichardt), warum es eine schlechte Idee ist, eine Affäre mit der Frau des Bürgermeisters zu beginnen (Don’t call me mama, Nina Knag), wie man in der Spielshow „Newly Weds“ einen Luxusurlaub gewinnt, aber vor allem, dass rechtzeitige Darmspiegelungen Leben retten können (André is an Idiot, Tony Benna).
Und Top-Tipp: Wir haben sogar gelernt, dass man mit etwas Geschick Geflügel zum Schauspielern überreden kann (Hen, György Pálfi).


Nach diesem herausragenden Film des Festivals lernte Helen dann noch eine letzte Sache:
Als der Abspann lief und sich das Kino leerte, wandte sie sich an ihren Nachbarn, der ebenfalls noch nicht gegangen war. Sie fragte ihn, wie er den Film fand. Sie tauschten ihre Ungläubigkeit darüber aus, was die Filmemacher alles erreicht hatten, und er erzählte, dass er nur wegen der zum zweiten Male stattfindenden Freikartenaktion am 3. Oktober überhaupt vor Ort war, da er sich normalerweise einen solchen Luxus wie einen Kinobesuch nicht leisten könne.
Was für ein Triumph, Malika Rabahallah (Festivaldirektorin Hamburg)! Wir können uns vorstellen, dass dies genau das ist, was Sie sich erhofft haben, als Sie diese mutige Entscheidung getroffen haben, und es möge noch lange so bleiben, dass die unglaublich unterhaltsame und informative Welt des Kinos allen Menschen in Hamburg zugänglich ist.
Wir freuen uns bereits heute auf das Hamburger Filmfest 2026!